Wildkräuter sammeln – Dos and Dont's

Mit Fortschreiten des neuen Jahres und Näherrücken des Frühlings spielen einige von euch vielleicht schon mit dem Gedanken, selbst nach draußen zu gehen und ihre ersten Wildkräuter zu sammeln. Doch kaum fällt die Haustür hinter einem zu, kommen Fragen auf: Wo darf ich denn überhaupt hingehen? Reicht mein Korb aus? Und welche Pflanzen darf ich eigentlich ernten?

 

Da sich auch Wildkräuter-Liebhaber*innen an Regeln halten müssen und vor allem im Sinne des Natur- und Artenschutzes agieren sollten, habe ich euch einmal zusammengefasst, was erlaubt ist und was nicht. Hier kommen ein paar Dos and Dontʼs zum Wildkräuter sammeln.

Wo darf ich zum Sammeln hingehen?

Grundsätzlich gilt in Deutschland das sogenannte Betretungsrecht. Dieses regelt den Gemeingebrauch an fremden Flächen wie Wäldern und Wiesen zu Erholungszwecken. Im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) in § 59 Betreten der freien Landschaft heißt es folgendermaßen:

 

(1) Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet (allgemeiner Grundsatz).

(2) Das Betreten des Waldes richtet sich nach dem Bundeswaldgesetz und den Waldgesetzen der Länder sowie im Übrigen nach dem sonstigen Landesrecht. Es kann insbesondere andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen sowie das Betreten aus wichtigen Gründen, insbesondere aus solchen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Feldschutzes und der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung, zum Schutz der Erholungsuchenden, zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Grundstücksbesitzers einschränken.


In der Bayerischen Verfassung (ich orientiere mich daran, da ich dort lebe) gibt es dazu sogar noch einmal eine besondere Klausel unter dem Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur im Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG):

 

Art. 26 Recht auf Naturgenuss und Erholung

(Art. 26 Abs. 1 Satz 2 abweichend von § 59 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG)

(1) Jedermann hat das Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur. [...]

(2) Bei der Ausübung des Rechts nach Abs. 1 ist jedermann verpflichtet, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Dabei ist auf die Belange der Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigten Rücksicht zu nehmen. [...]

 

Zusammenfassend heißt das, dass unsere Wälder und Wiesen für alle da sind und auch von allen betreten werden dürfen, solange man sich nicht aufführt wie die sprichwörtliche Axt im Walde und der*die Grundstücks- oder Waldbesitzer*in nicht aus triftigen Gründen (zum Beispiel zum Schutz junger Baumkulturen oder kurzfristige Absperrung wegen Holzschlag) das Betreten durch Zäune oder (rechtskräftige) Beschilderungen ausdrücklich verbietet.

Ein männlicher Hauhechel-Bläuling.
Ein männlicher Hauhechel-Bläuling.

Auf jeder Wiese oder jedem Wald um die Ecke dürft ihr also schon einmal sammeln. Oder? Nein. Denn über allem steht § 23 Naturschutzgebiete im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG). Dieser besagt unter anderem:

 

(1) Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist

1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung

von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,

2. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder

landeskundlichen Gründen oder

3. wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder

hervorragenden Schönheit.

(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.


In Naturschutzgebieten dürfen also ausnahmslos keine Wildpflanzen gesammelt werden, nicht einmal Gänseblümchen oder Löwenzahn. Weiterhin gilt natürlich – unabhängig davon, ob Naturschutzgebiet oder nicht – der Artenschutz. Geschützte Pflanzen dürfen in freier Wildbahn nirgendwo entnommen werden.

Als rechtlicher Maßstab gilt hierfür § 44 Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG):

 

(2) Es ist ferner verboten,

1. Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten.

 

Hilfreich für die Bestimmung geschützter Pflanzen sind umfangreiche Bestimmungsbücher oder das Wissenschaftliche Informationssystem zum Internationalen Artenschutz (WISIA). Ich habe beim Sammeln beispielsweise immer den Bestimmungs-Klassiker Was blüht denn da? vom Kosmos Verlag dabei. Dort steht neben jedem Pflanzenporträt, ob die jeweilige Pflanze geschützt ist oder nicht. Generell kann man jedoch sagen, dass gerade viele geschützte Pflanzen für uns Wildkräuter-Liebhaber*innen sowieso nicht verwendbar sind, da sie oft ungenießbar, ohne besondere Heil- oder kulinarische Eigenschaften oder giftig sind. Dazu gehören beispielsweise der Eisenhut, Enziane, Krokusse oder Narzissen.

Eine kleine Auswahl geschützter Pflanzen:


Doch wie sieht es jetzt mit dem Sammeln ungeschützter Pflanzen in Gebieten aus, die nicht als Naturschutzgebiet gekennzeichnet wurden?

 

Was und wie viel darf ich sammeln?

Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn es nicht auch dafür ein explizites Gesetz gäbe, geregelt unter § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG). Und das ist gut so! Es ist nämlich dafür da, dass Tier- und Pflanzenbestände nicht grundlos dezimiert werden, und besagt folgendes:

 

(3) Jeder darf abweichend von Absatz 1 Nummer 2 wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.

Geringe Mengen bezieht sich in diesem Fall auf die sogenannte Handstraußregelung. Ein Handstrauß ist in etwa das, was man mit Daumen und Mittelfinger einer Hand greifen kann und beschreibt die Menge, die pro Tag von einer Person gesammelt werden darf.

 

Nun mögen vielleicht einige sagen, dass es ja dann wohl von Mensch zu Mensch und Körpergröße zu Körpergröße unterschiedlich ist, was man greifen kann, doch so ins Detail braucht man nicht zu gehen. Wichtig ist beim Wildkräuter sammeln vor allem, nach gesundem Menschenverstand zu sammeln und maßvoll zu bleiben, sprich:

 

>> Wir ernten pro Pflanze jeweils nur ein paar Blätter/Blüten. <<

>> Wir sammeln keine Pflanzen, die alleine stehen oder in geringen Beständen vorkommen. <<

>> Wir lassen pro Pflanzenbestand etwa 2/3 stehen. <<

>> Wir sammeln nur so viel wie wir verbrauchen können. <<

>> Wir ernten nur gesunde und saubere Pflanzen. <<


Weiterhin ist folgendes wichtig:

>> Wir sammeln nur das, was wir zu 100% sicher bestimmen können (!) <<

>> Wir sammeln nicht auf oder an gespritzten Wiesen oder Feldern.

(Gespritzt ist oft das, was offensichtlich nach Monokultur-Anbau aussieht, also wenn nur eine Pflanzensorte auf einem Feld vorkommt. Da wir nicht wissen können, ob dort mit Pestiziden gearbeitet wird oder nicht, halten wir beim Sammeln Abstand von solchen Feldern.) <<

>> Wir sammeln nicht direkt am Wegrand (Stichwort Hundepipi). <<

>> Wir lassen keinen Müll in Wald und Flur liegen. <<

>> Wir verhalten uns respektvoll gegenüber der Natur und anderen Lebewesen, die sie genießen wollen. <<


Wenn ihr diese Grundsätze und die Gesetze zum Natur- und Artenschutz im Hinterkopf behaltet, steht einer Wildkräuterwanderung nichts mehr im Wege. Denkt einfach daran, dass die Natur mit ihren vielfältigen Tier- und Pflanzenarten und Ökosystemen wertvoll ist und wir alle noch lange etwas von ihr haben möchten, gerade unter dem Aspekt des Klimaschutzes und -wandels.